6. KANTONSRATS ZMORGE

In den vergangenen zwei Jahren hat der Verein Elektromobilität Zug die Mitglieder des Zuger Kantonsrats zu fünf «Kantonsrats Zmorgen» zur Diskussion verschiedener Themen, die im Zusammenhang mit einer nachhaltigen Mobilität stehen, eingeladen, um den Zuger Kantonsrat neutral und wissenschaftlich zu aktuellen Diskursen rund um die E-Mobilität zu informieren. Dabei werden qualitativ hochwertige Inputs von Referentinnen und Referenten aus der Industrie sowie aus der Wissenschaft geliefert.

Am 24. August 2023 fand das 6. Kantonsrats Zmorge mit 26 Mitglieder des Zuger Kantonsrates statt. An dieser interaktiven Veranstaltung wurden die Möglichkeiten von Power-to-X, unter anderem im Zusammenhang mit der Elektromobilität und wie sich verschiedene Technologien in der zukünftigen, ökologisch nachhaltigen Energieversorgung ergänzen werden, thematisiert.

Das Referat von Prof. Dr. Markus Friedl (Leiter IET Institut für Energietechnik, OST Ostschweizer Fachhochschule) zeigte die Möglichkeiten von verschiedenen Technologien wie batterie-elektrischen Fahrzeugen, Wasserstoff, Biofuels und E-Fuels auf und beleuchtete deren Vor- und Nachteile.

Andreas Bittig (Tech Cluster Zug AG & Verein zur Dekarbonisierung der Industrie) zeigte anhand von drei Zuger Dekarbonisierungs-Initiativen Perspektiven auf, wie sie aktuell von der Wirtschaft in enger Abstimmung mit der Politik gestaltet werden.

Nach den beiden Referaten gab es eine Frage- und Diskussionsrunde mit den Experten und viele interessante Gespräche während des anschliessenden Frühstücks.

In den zwei nachfolgenden Abschnitten erhalten Sie einen Einblick in die Referate von Prof. Dr. Markus Friedl und Andreas Bittig.

 

DIE ZUKÜNFTIGE ROLLE VON WASSERSTOFF, BIOFUELS UND E-FUELS

Referat von Prof. Dr. Markus Friedl

Der Schweizer Endenergieverbrauch setzt sich aus grob 1/3 Elektrizität, 1/3 Brennstoff und 1/3 Treibstoff zusammen (Grafik 1). In Zukunft wird es jedoch Änderungen im Endenergieverbrauch der Schweiz geben: 1/3 der Stromerzeugung von Atomkraftwerken wird wegfallen. Durch diesen Wegfall wird es einen massiven Zubau an erneuerbarer Elektrizität geben, wovon die Photovoltaik einen grossen Teil ausmachen wird. Ein Stromüberschuss im Sommer wird die Auswirkung davon sein.

 

Grafik 1: Bundesamt für Energie, „Schweizerische Gesamtenergiestatistik 2021“

 

Aktuell besteht ein grosser Teil der speicherbaren Energie noch aus fossilem Gas und Öl, die in Zukunft jedoch ersetzt werden sollen. Ein rein batterie-elektrisches Energiesystem gibt es nicht.
Ein zukünftiges Energiesystem muss zwei Funktionen der fossilen Brenn- und Treibstoffe ersetzen: Energiequelle und Energiespeicher. Dazu können chemische Energieträger beitragen, welche aus Biomasse oder Elektrizität bestehen. Nachhaltige Energieträger wie Elektrizität, Wasserstoff, Methan, Methanol etc. unterscheiden sich in Effizienz und Speicherbarkeit.
Hier kommen die Power-to-X-Technologien ins Spiel: Unter Power-to-X versteht man alle Verfahren, die Ökostrom in chemische Energieträger zur Stromspeicherung, in strombasierte Kraftstoffe zur Mobilität oder Rohstoffe für die Chemieindustrie umwandeln. Auf klimafreundliche Art lässt sich mit Power-to-X beispielsweise Wasserstoff für Brennstoffzellenfahrzeuge herstellen, aber auch Kerosin für Flugzeuge. Power bezeichnet die über dem Bedarf liegenden zeitweisen Stromüberschüsse und X steht für die Energieform oder den Verwendungszweck. Unterteilt werden die Power-to-X-Technologien daher nach Verwendungszweck (z.B. Power-to-Fuel, Power-to-Chemicals oder Power-to-Ammonia) bzw. nach Energieform (Power-to-Gas, Power-to-Heat, Power-to-Liquid).

Laut der Studie «ReHaul – Renewable Long-Haul Road Transport Considering Technology Improvements and European Infrastructures» sei die Einhaltung der Klimavorgaben des europäischen Strassentransportes über lange Strecken eine weitere Herausforderung. Die Bewältigung dieser Aufgabe ist jedoch nicht unmöglich, denn die Kombination verschiedener Technologien bietet Vorteile. Es gilt dabei verschiedene Aspekte wie die jährlichen Kosten, verfügbare Technologien, erforderlicher Aufwand für Infrastruktur, Auswirkungen auf Energiesystem, das Potential für Primärenergie und praktische Aspekte zu berücksichtigen.

In Zukunft werden sich unterschiedliche Technologien wie batterie-elektrische Fahrzeuge, Wasserstoff, Biofuels und E-Fuels ergänzen. Diese Technologien werden laufend weiterentwickelt und neue Technologieregulierungen benötigt.

 

ZUGER INITIATIVEN ALS TREIBER DER DEKARBONISIERUNG

Referat von Andreas Bittig

Die Prognosen zeigen, dass die CO₂-Emissionen in Zukunft sinken werden, wo hingegen der Energiebedarf massiv ansteigen wird. Deshalb gibt es folgende Ziele in den Zuger Energie-Initiativen zur Dekarbonisierung:

Energie, Mobilität und Immobilien – Energie neu Denken
Eine Initiative mit den Initianten Tech Cluster Zug und der AMAG sowie der Unterstützung durch WWZ, ZVB, Cham Group und Siemens. Energie, Mobilität und Infrastruktur soll neu gedacht und vernetzt werden.

1. Anlagen werden auf eine maximale Produktion ausgerichtet, statt auf Winterproduktion. Winteranlagen sollen über eine direktere Beziehung zwischen Produzenten und Kundschaft gestärkt werden.

2. Überschüssiger Sommerstrom kostet teils weniger als 30 CHF/MWh, Winterstrom teils über 200 CHF/MWh. Ziel muss es sein, den Sommerstrom in den Winter zu überführen.

Verein zur Dekarbonisierung der Industrie
Die Initiative wird durch Gründungsmitglieder und Sponsoren getragen.

3. Noch immer beziehen die Industrieunternehmen im Sommer Erdgas, das direkt verbrennt wird – gleichzeitig exportieren wir CO₂-freien-Strom ins Ausland, den wir z. B. mit einer Power-to-X Anlage in Wasserstoff umwandeln könnten. Dieses Potential gilt es zu nutzen.

4. Auch wenn in den Wintermonaten Erdgas bezogen wird, soll dieses wenigstens ohne CO₂-Emissionen verbrannt werden.

Mit dem Verfahren der Methan-Pyrolyse wird Wasserstoff für die Verwendung als Kraftstoff, Industriegas oder zum Heizen hergestellt. Bei dem Pyrolyse-Verfahren entsteht festes Kohlenstoffgranulat, welches für den Bausektor, in der Landwirtschaft oder als Werkstoff in der Industrie verwendet werden kann. Der Verein hat einen Projektplan für die Erstellung eines Methan-Reaktors für die Methan-Pyrolyse festgelegt (Grafik 2). Anfangs 2024 sollen die ersten Tests bei der V-ZUG stattfinden und im Sommer soll der Bau der Anlage starten, damit sie anfangs 2026 für den industriellen Vollbetrieb genutzt werden kann.

 

Grafik 2: Verein zur Dekarbonisierung der Industrie, Anlage-Schema Methan-Reaktor

 

Energie Partnerschaft Oman

5. Der Schweiz fehlen im Winter Strommengen von aktuell 4 TWh (Total 58 TWh p.a.), in 10 Jahren bereits 14 TWh (74 TWh)*. Fehlende Strommengen sollen mit geeigneten Partnern (auch im Ausland, wie zum Beispiel im Oman) gemeinsam produziert werden können – dank Power-to-X (Grafik 3).
*Quelle BFE Zero Basis Szenario

 

Grafik 3: Tech Cluster Zug AG, Projektidee Energiepartnerschaft mit Oman

 

Quelle

Bundesamt für Energie, «Schweizerische Gesamtenergiestatistik 2021»,
«Schweizerische Elektrizitätsstatistik 2021», VSG Jahresbericht 2022 Basis 2021

POWER-TO-X (PRX / P2X)
https://www.tuvsud.com/de-de/indust-re/klima-und-energie-info/power-to-x

Energieperspektiven 2050+
https://www.bfe.admin.ch/bfe/de/home/politik/energieperspektiven-2050-plus.html

«ReHaul – Renewable Long-Haul Road Transport Considering Technology Improvements and European Infrastructures»
https://erig.eu/new-erig-study-on-long-haul-heavy-duty-road-transport-emission-reduction-potential-of-different-technologies-to-2030/